Ausführliche Projektbeschreibung

KLANGKOSMOS SCHÜTZ.22

Ein Projekt der Landesjugendchöre Hessen, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen

Konzeption
Der Tod von Heinrich Schütz markiert eine epochale Zäsur der mitteldeutschen, ja europäischen Musikgeschichte. Mit ihm ging einerseits eine erste Blütezeit der Musik zu Ende, andererseits hat er zukunftsweisende Wege aufgezeigt – kompositorisch, ästhetisch, musikorganisatorisch und durch sein europäisches Netzwerk mit seinen Zeitgenossen.
Ziel des Projektes ist die intensive Auseinandersetzung mit der Kultur des 17. Jahrhunderts in Mitteldeutschland anhand seines Schaffens. Die Lebensthemen, die Umbrüche bzw. Wendepunkte (Dreißigjähriger Krieg, Reformation, Pest) dieser Zeit zu erschließen und erklingen zu lassen in Verbindung mit Werken der nachfolgenden Jahrhunderte, soll dieses Projekt erfahrbar machen. Es geht nicht um einen rückwärtsgewandten Blick auf den Todestag, es geht um den kulturellen Brückenschlag bis in die Gegenwart: Das 21. Jahrhundert mit der Musik von Schütz zu verbinden.
In mehrtägigen und mehrphasigen Proben erarbeiten die Jugendchöre von Hessen, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen die gemeinsamen Aufführungen in den vier Bundesländern. Nach diesen Arbeits- und Konzertphasen bis zum August 2022 mündet das Projekt in Konzerte mit den vier Landesjugendchören zusammen an vier zentralen Orten, die Schütz aufgesucht hat. Seine Vorstellung von Raummusik durch Mehrchörigkeit wird so in einem durchkomponierten Programm erleb- und hörbar.

Stellenwert
Erstmals in der Geschichte aller vier Landesjugendchöre kommt es zu einer großdimensionierten Zusammenarbeit im A-Cappella-Bereich. Ein weiteres Novum ist eine erst einzeln, dann gemeinsam erarbeitete und uraufzuführende Komposition. Damit verbunden ist auch das mehrstufige Zusammenwachsen von jeweils zwei (Arbeitsphasen Januar bis August) auf vier Landesjugendchöre (Arbeitsphasen September/Oktober).
Die Abschlusskonzerte mit 40-stimmigen Werken (die sonst schwerlich aufführbar sind) stellen die Verbindung zu Felix Mendelssohn Bartholdy (175. Todestag) und Johannes Brahms (125. Todestag) her. Beide Komponisten haben die wichtige Schütz-Renaissance im 19. Jahrhundert entscheidend mitgeprägt. Dieses breite Spektrum an Kompositionen stellt im Kontext mit der Auftragskomposition von Reiko Füting den klingenden Kosmos Schütz.22 sowohl für die jungen Sänger*innen als auch für das Publikum auf eindrückliche Weise her.
Das Miteinander-Proben und -Konzertieren in solch sowohl besetzungsmäßigen als auch zeitlich ausgedehnten Rahmen fördert intensiv den sozialen Aspekt der Begegnungen, somit die soziale Kompetenz, und lehrt die Jugendlichen mit Hilfe des gemeinsamen Singens, sich auch mit gesellschaftlichen Ambivalenzen auseinander zu setzen, miteinander zu erleben und zu lösen.
Die Beschäftigung mit so unterschiedlichen Epochen der Musik in einem Konzert wird das zukünftige musikalische Interesse der Sänger*innen beeinflussen und verändern. Gerade die vielstimmig besetzten Stücke des 16. Jahrhunderts stellen große, ungewohnte sängerische Herausforderungen dar, um die Klangauffächerung und Klangbalance dieser Werke adäquat zu realisieren. Beim Hören und Miterleben der Aufführungen werden alle Seiten – Mitwirkende und Publikum - mit neuen Klangerlebnissen konfrontiert und somit bereichert.
Die Gegenwartsmusik bekommt mit der vielstimmigen Auftragskomposition „weil wir leben, können" für das Klangkosmos-Projekt einen bewußt selbstverständlicheren, gewichtigeren, weil persönlichen Stellenwert im Chorleben, gefördert durch Gespräche zwischen Komponist, Dirigent und Jugendlichen während der Probenarbeit. Die Textfindung für das Uraufführungswerk hat bereits im Dezember 2021 mit drei mehrstündigen interaktiven Foren unter Teilnahme des Komponisten stattgefunden. Dazu waren die Sänger*innen aller vier teilnehmenden Landesjugendchöre eingeladen - mit dem Ergebnis einer regen Beteiligung.
Reiko Füting studierte in Dresden, Houston und New York und hat seit zwei Jahrzehnten an der Manhattan School of Music in New York die Professur für Komposition und Musiktheorie inne. „Es fasziniert mich als Komponist, auf etwas zu reagieren, mich mit etwas auseinanderzusetzen, auf etwas zu reagieren". Der Titel des neuen Werkes „weil wir leben" bezieht sich auf den letzten Satz von Heinrich Schütz in seinem Vorwort zu den Psalmen Davids: „weil ich lebe – Henrich Schütz".

Arbeitsphasen und Konzerte
Dieser gesamte erste Block der vier Landesjugendchöre bis zum August 2022 – bestehend aus ein oder zwei Arbeitsphasen, davon eine gemeinsame mehrtägige Arbeitsphase von jeweils zwei Chören zusammen – wird aus dem jeweiligen Landesjugendchor-Budget finanziert. Damit ist jedoch das jeweilige Jahresbudget der einzelnen Chöre aufgebraucht.
Diese Arbeitsphasen sind jedoch unerlässlicher Bestandteil des Gesamtprojektes und unabdingbare Voraussetzung für das Herbstprojekt unter Leitung von Justin Doyle. Das Herbstprojekt – Arbeitsphase und 4 Konzerte - sind nur mit zusätzlicher finanzieller Förderung und Drittmittelförderung durchführbar.

Diese zusätzliche Förderung erfolgt dankenswerterweise durch die MBM (Mitteldeutsche Barock Musik) und die vier Staatskanzleien der Bundesländer. Die Auftragskomposition ist finanziert worden durch die Kunststiftung Sachsen-Anhalt und die Kulturstiftung Thüringen.

1. Block: Januar bis August | jeweils 2 Landesjugendchöre mit den jeweiligen Künstlerischen Leiter*innen
Hessen und Sachsen: Konzerte Kassel 01.05. | Leipzig 28.05.
(Deutsches Chorfest Leipzig)
Sachsen-Anhalt und Thüringen: Weimar 20.08. | Halle 21.08.

Landesjugendchor Hessen, Künstlerische Leitung: Axel Pfeiffer/ Jürgen Faßbender
Landesjugendchor Sachsen, Künstlerische Leitung: Ron-Dirk Entleutner
Landesjugendchor Sachsen-Anhalt, Künstlerische Leitung: Berit Walther
Landesjugendchor Thüringen, Künstlerische Leitung: Franziska Kuba

2. Block: 29. September bis 3. Oktober | 28. Oktober Wiederaufnahmeproben |
alle 4 Landesjugendchöre gemeinsam | Mitglieder des RIAS Kammerchores |
Justin Doyle
03.10. Konzert Kassel, Martinskirche (Hessen) | Justin Doyle
29.10. Konzert Magdeburg, Dom (Sachsen-Anhalt) | Justin Doyle
30.10. Konzert Freiberg, Dom (Sachsen) | Justin Doyle
31.10. Konzert Schmalkalden, St. Georg (Thüringen) | Justin Doyle

Die Arbeitsphase (29.09.-03.10. sowie die Wiederaufnahmeproben am 28.10.) und die drei Konzerte (29.-31.10.) werden von Justin Doyle, Künstlerischer Leiter und Chefdirigent des RIAS Kammerchores Berlin, geleitet. Im Rahmen eines Education-Projektes werden die Sänger*innen der Landesjugendchöre durch ein Mitglieder aus dem RIAS-Kammerchor Berlin pädagogisch und probentechnisch betreut.

Konzertprogramme
Die Literatur der Frühjahrs- bzw. Sommerarbeitsphasen mit jeweils zwei Landesjugendchören stehen aus probentechnischen Gründen in enger Verzahnung mit der Herbstarbeitsphase aller vier Landesjugendchöre. Die Abschlusskonzerte unter Leitung von Justin Doyle sind in Rücksprache mit den Künstlerischen Leiter*innen der vier Landesjugendchöre konzipiert.
In den Abschlusskonzerten erklingen bis zu 40-stimmige Werke von Johannes Ockeghem und Thomas Tallis sowie mehrchörige Werke von Heinrich Schütz. Chorwerke von Brahms und Mendelssohn Bartholdy sowie Komponisten des 20. und 21. Jahrhunderts (Frank Martin, John Tavener) bilden weitere Bausteine im Klangkosmos Schütz.22.
Tallis ist ein legendäres Beispiel für polyphone Triumphe der Renaissance-Musik. Und Schütz war konfessioneller Kosmopolit, zu seinen Lebzeiten ein Vorreiter der Moderne und allem voran der Wegbereiter der lutherischen Kirchenmusik.

Svenja Reis und Jakob Dietz (Hochschule für Musik Franz Liszt Weimar) haben den Orgelcontinuo-Part übernommen und sind zudem mit Solowerke von Johann Pachelbel, Jan Pieterszoon Sweelinck und Antonio Soler.

Kooperationspartner
Heinrich Schütz Musikfest
Mitteldeutsche Barock Musik (MBM)
RIAS Kammerchor Berlin
Deutschlandfunk Kultur
Deutscher Musikrat, Forum Dirigieren
Staatskanzleien und Ministerien für Kultur der Bundesländer Hessen, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen
Themenjahr Thüringen: Am Anfang war das Wort | Sprache. 500 Jahre Bibelübersetzung
Evangelische Landeskirche in Mitteldeutschland, Evangelische Landeskirche Anhalts, Evangelisch-lutherische Landeskirche Sachsens und Evangelische Kirche von Kurhessen-Waldeck

Die Landesjugendchöre sind in folgender Trägerschaft: Junge Musik Hessen gGmbH, Sächsischer Chorverband, Landesmusikrat Sachsen-Anhalt und Landesmusikrat Thüringen

Der Landesmusikrat Thüringen ist federführend in diesem Gesamtprojekt „Klangkosmos Schütz.22".
Ansprechpartner für das Projekt ist Christoph Caesar, Projektleiter des Landesjugendchores Thüringen.